In den letzten Jahren ist das Sicherheitsbedürfnis der Deutschen erheblich gestiegen: Die Security-Branche verzeichnet einen wahrhaften Boom, es gibt immer mehr Angebote für Selbstverteidigungskurse und einige Menschen rüsten sich mit Elektroschockern, Pfefferspray und Co. gegen potenzielle Übergriffe. Doch wie helfe ich mir in einer Notsituation und welche Dinge gibt es bei der Selbstverteidigung zu beachten?

Darf ich mich mit Waffen und Hilfsmitteln wehren?

Grundsätzlich ist natürlich die Polizei für die Sicherheit der Bürger zuständig. Doch diese kann nicht immer und überall vor Ort sein – bei einer kritischen Notsituation ist schnelles Handeln gefragt. Daher gibt es in Deutschland auch das Recht auf Notwehr, um sich gegen rechtswidrige Angriffe zu wehren: Sobald Gefahr für Leben, Eigentum, Freiheit und andere geschützte Rechtsgüter besteht, ist jeder berechtigt sich gegen diese Gefahren – mit angemessenen Mitteln – zu verteidigen.

Sie dürfen situationsbezogen also auch legale Waffen oder andere Hilfsmittel, wie Regenschirme und Schlüssel, zur Abwehr von Angriffen oder dem Schutz von Hab und Gut nutzen. Bei den legalen Waffen müssen jedoch in vielen Fällen einige weitere Anforderungen erfüllt sein, um in keine Schwierigkeiten mit der Polizei zu geraten oder rechtliche Vorschriften zu brechen.

Beispielsweise müssen Elektroschocker ein Prüfzeichen aufweisen, Messer dürfen über keine Klingenlänge von über 8,5 Zentimetern oder Falt- und Springmechanismen verfügen und ab einer gewissen Leistung benötigen Softair- und Druckluftwaffen einen kleinen Waffenschein für den gestatteten Besitz. Sich einfach mit einem gasbetriebenen Gewehr, das eigentlich als Sportgerät genutzt wird, oder einem Baseballschläger für die Selbstverteidigung auszurüsten ist also nicht ratsam und kann schnell zu Problemen führen – denn das Führen von freien Waffen und „Hilfsmitteln“ am Körper in der Öffentlichkeit ist nicht gestattet oder benötigt einen triftigen Grund.

In einer Notsituation dürfen freie Waffen und Hilfsmittel also durchaus genutzt werden, jedoch führt dieses Thema schnell zu der Angemessenheitsfrage.

Die angemessene Selbstverteidigung – wählen Sie die mildeste Form

In vielen Praxisfällen kommt es nach einem Übergriff zu einer Anklage – und zwar nicht gegen den Täter, sondern gegen den Betroffenen, der der Körperverletzung beschuldigt wird. Bei mehreren Verteidigungsmöglichkeiten muss zur Notwehr das mildeste zur Abwehr geeignete Mittel gewählt werden, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten Schaden anrichtet.

Doch diese angemessene Verteidigung ist auch Auslegungssache des Richters, wobei die mildeste Form natürlich das Risiko minimiert. Beispielsweise kann der Einsatz von Pfefferspray oder dem Hausschlüssel gegen einen unbewaffneten Angreifer gerechtfertigt sein, beispielsweise wenn sich eine Frau dem Angreifer körperlich unterlegen fühlt.

Illegale Waffen sind aber selbst in einer Notwehrsituation in jedem Fall verboten. Die Notwehr ist nur gegen den Angreifer zulässig. Zudem darf die Gefahrensituation nicht provoziert oder selbstverschuldet sein, um vom Notwehrrecht gedeckt zu sein. Gleiches gilt bei einer zeitlichen Trennung von Ereignissen, beispielsweise wenn sich eine Person nach einem Angriff später rächen will.

Prävention: Gefahrenbeurteilung trainieren und Auseinandersetzungen simulieren

In einigen Situation lässt sich die Notwehr leider nicht umgehen. Bei ernsthaften Übergriffen, die die eigene Sicherheit und das Leben gefährden oder die geschützten Rechte betreffen, sollte von dem Notwehrrecht auch Gebrauch gemacht werden – schließlich muss das Recht nicht dem Unrecht weichen.

Doch in vielen Fällen muss es soweit erst gar nicht kommen: Neben der eigenen Flucht, um körperlichen Auseinandersetzungen zu entgehen, gibt viele weitere effektive Methoden und Maßnahmen, die zu einer Deeskalation führen, Gemüter beruhigen oder Angreifer in die Flucht schlagen. Hier gibt es spezielle Kurse von Polizei aber auch übliche Selbstverteidigungskurse, die sich mit der Gefahrenprävention und -erkennung befassen. Es wird nicht nur vermittelt, wie man einen Angreifer körperlich von sich hält und sich aus Griffen befreit, sondern auch, wie das eigene Verhalten präventiv wirken kann – beispielsweise mit einem klaren Befehlston. Zudem werden die Teilnehmer in der Wahrnehmung geschult, um potenziell gefährliche Situationen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

Eine Bewaffnung ist somit bei der Selbstverteidigung nicht immer die beste Wahl. Oft fühlen sich Menschen unsicher und nutzen diese Methode, um ihr gefühltes Sicherheitsbedürfnis zu stillen. Zudem können die freien Waffen zu einer Überschätzung der eigenen Sicherheit führen und die Polizei vor neue Herausforderungen stellen – beispielsweise gibt es verbotene Geräte, die sich als Taschenlampe, Zigarettenschachtel, Smartphone oder Schirm tarnen.

Selbstverteidigungskurse sind natürlich keine Patentlösung für jegliche Notsituation. Sie bieten jedoch das Potenzial, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken und das eigene Verhalten in einer simulierten Atmosphäre sicher zu trainieren. Wer Gefahren frühzeitig erkennt, hat gute Chancen mit heiler Haut davon zu kommen – in einer akuten Notlage darf aber jeder auch vom Recht der Notwehr mit oder ohne Hilfsmittel Gebrauch machen.

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Redaktion